Gute Mutter – Böse Mutter? Die Licht- und Schattenseiten des Mutter-Archetyps

Ekaterina Moré vor ihren Frauenporträts – Kunst als Spiegel archetypischer Mutterrollen und weiblicher Identität - Mutterarchetyp in der Kunst

Was passiert, wenn Fürsorge zur Fessel wird? Wenn Liebe einengt, statt zu befreien?
Der Mutter-Archetyp gilt als Inbegriff von Wärme, Schutz und bedingungsloser Hingabe. Doch hinter dem idealisierten Bild der „guten Mutter“ verbirgt sich oft ein Schatten: Kontrolle, Überfürsorglichkeit, emotionale Abhängigkeit. Die mütterliche Ambivalenz – zwischen Geborgenheit und Grenzüberschreitung – begleitet viele Frauen und Töchter ihr Leben lang.

In diesem Artikel tauche ich ein in die Schattenseite des Mutter-Archetyps, wie sie sich in Beziehungen, inneren Mustern – und in meiner Kunst zeigt. Ich verbinde psychologische Perspektiven (C.G. Jung, Jean Shinoda Bolen, Mutterkomplex) mit meiner eigenen Erfahrung als Tochter, Schwester, Mutter und Künstlerin.
Und ich lade dich ein, dich selbst zu fragen:

Was bedeutet es für dich, eine gute Mutter zu sein – oder gehabt zu haben? Wo beginnt deine Freiheit, und wo endet die Loyalität?

Die Werke aus meiner Serie Feminine Glamourism zeigen die feinen Linien zwischen Nähe und Enge, Liebe und Macht – und geben Raum, das Unsichtbare sichtbar zu machen.

Zärtliche Umarmung zweier Frauen – symbolisches Porträt für Nähe, Abhängigkeit und Weiblichkeit im Schatten des Mutterarchetyps

 

1. Die Lichtseiten des Mutter-Archetyps

Die Mutter als Archetyp steht im kollektiven Bewusstsein für das Urbild der nährenden, schützenden Kraft. Sie verkörpert Liebe ohne Bedingungen, Hingabe ohne Erwartung, Fürsorge ohne Grenzen. Ihre Energie wärmt, tröstet, heilt. In dieser lichten Gestalt ist sie Quelle des Lebens – so wie die Göttinnen Demeter, Maria oder Isis in vielen Kulturen als Sinnbild weiblicher Schöpfungskraft verehrt wurden.

Auch in meiner Kunst ist diese mütterliche Energie präsent – etwa in Werken wie „Göttin Demeter“ oder „Schlummernde Venus“, die die Schönheit des Empfangens und des inneren Friedens zeigen. Die weibliche Figur wird dort zum Symbol innerer Fülle – sie nährt durch ihre bloße Existenz.

In meinem ersten Artikel über die Psychologie der Weiblichkeit habe ich die kraftvolle Seite dieses Archetyps ausführlich dargestellt – als Weg zur Selbstannahme und Heilung. Doch jede archetypische Kraft birgt auch einen Schatten. Und dieser Schatten beginnt genau dort, wo Liebe zur Kontrolle wird.

➤ mehr dazu in meinem Artikel "Die Mutter in uns – Der Archetyp und seine Rolle in der Selbstentwicklung"

Zwei elegante Frauen vor einem Schiff – Kunstwerk von Ekaterina Moré über stille Spannungen zwischen Nähe und Freiheit - Mutterarchetyp in der Kunst

 

2. Schattenseiten – Wenn Mutter zur Bedrohung wird

So heilend die Nähe einer Mutterfigur sein kann – so erdrückend wird sie, wenn sie keine Grenzen kennt. Die dunkle Seite des Mutter-Archetyps zeigt sich in übermäßiger Fürsorge, emotionaler Vereinnahmung, subtiler Erpressung oder Schuldgefühlen. Die gute Mutter wird zur besitzergreifenden Mutter, die nicht loslassen kann – aus Angst, aus Unerlöstheit, aus ihrem eigenen Mangel heraus.

In der Mythologie begegnen wir ihr in Gestalten wie Medea, die ihre Kinder tötet, oder der bösen Stiefmutter, die das Leben ihrer Stieftochter vergiftet. In anderen Kulturen erscheint sie als schwarze Göttin: Kali, die zerstört, um zu erneuern, oder Lilith, die sich jeder Unterordnung verweigert.

C. G. Jung beschrieb diese Seite als Teil des Mutterkomplexes: ein unbewusstes Band, das sowohl Männer als auch Frauen an kindliche Abhängigkeit bindet. Statt Reife entwickeln sich Regression, Schuld oder Selbstverlust. Die Mutter wird zum inneren Über-Ich – geliebt und gefürchtet zugleich.

In der Kunst braucht es Mut, auch diese dunkle Seite zu zeigen. In einigen meiner Werke – etwa den Doppelporträts im Feminine Glamourism-Stil – wird diese Ambivalenz spürbar: Der Blick ist zärtlich und distanziert zugleich, die Nähe intensiv, aber nicht eindeutig.

Denn echte Heilung geschieht nicht nur im Licht – sondern dort, wo wir dem Schatten begegnen.

 

3. Was ist der Mutterkomplex – und wie zeigt er sich in Beziehungen?

Der Begriff Mutterkomplex stammt aus der Tiefenpsychologie von C. G. Jung und beschreibt unbewusste Prägungen durch die Mutterfigur, die sich später in unseren Beziehungen spiegeln. Diese archetypische Mutterrolle wirkt oft stärker, als uns bewusst ist – selbst dann, wenn wir keine enge Verbindung zur eigenen Mutter hatten.

Bei Frauen kann sich der Mutterkomplex in übermäßiger Anpassung oder Rebellion äußern: Manche idealisieren die Mutter oder streben unbewusst nach ihrer Anerkennung, andere lehnen alles Mütterliche ab – inklusive Fürsorge, Weichheit und Empfänglichkeit. In beiden Fällen bleibt die Frau innerlich unfrei.

Bei Männern zeigt sich der Mutterkomplex häufig als starke Bindung an mütterliche Frauen oder als Flucht vor weiblicher Nähe. Die eigene Partnerwahl wird so oft vom inneren Kind gesteuert – auf der Suche nach Sicherheit oder Autonomie.

In der Psychologie wird die Mutterrolle nicht nur als Beziehungsfigur verstanden, sondern als Schlüssel zur eigenen Identität. Wie wir lieben, vertrauen oder Grenzen setzen – all das ist tief mit unserer Beziehung zur Mutter verknüpft.

Hinweis: Mehr zum Mutterkomplex findest du in der FAQ am Ende des Artikels.

Frau mit schwarzer Katze – Symbolbild für Besitzanspruch und Kontrolle im Kontext des Mutterkomplexes, gemalt von Ekaterina Moré

 

4. Kunst als Spiegel der Mutterrolle: Wie Schatten sichtbar werden

Kunst bietet die Freiheit, das auszudrücken, was in Worten oft verborgen bleibt. In meiner Arbeit spiegelt sich die Mutterrolle in der Psychologie ebenso wie das innere Kind – verletzlich, suchend, ambivalent. Viele meiner Werke zeigen Frauen, die gleichzeitig Nähe und Distanz ausstrahlen – wie in meinen Doppelporträts oder in den Bildern mit Katze und Tochter.

Die weiblichen Schattenseiten – Macht, Kontrolle, Verlustangst – drängen sich hier nicht in den Vordergrund, sondern fließen subtil mit ein. Ein intensiver Blick, eine gespannte Geste, eine symbolische Berührung können mehr über Mutter-Tochter-Dynamiken erzählen als ein ganzes Kapitel Theorie.

In der künstlerischen Auseinandersetzung mit archetypischen Frauenbildern – ob als nährende Göttin oder als kontrollierende Figur – entsteht ein Raum der Heilung. Nicht, weil alles aufgelöst wird, sondern weil alles da sein darf.



5. Mein Weg – Vom Kontrollbedürfnis zur Balance

Ich weiß aus eigener Erfahrung, wie schmal der Grat zwischen Fürsorge und Überfürsorge sein kann. Als junge Mutter wollte ich alles „richtig“ machen – präsent sein, trösten, schützen, fördern. Doch irgendwann merkte ich: Ich atme nicht mehr. Ich war zu einer Art „Helikoptermutter“ geworden, die sich selbst verlor, während sie versuchte, für alle da zu sein.

Besonders in der Beziehung zu meiner Tochter spürte ich, wie meine gute Absicht manchmal zur erdrückenden Nähe wurde. Meine eigenen Bedürfnisse stellte ich hinten an, doch das machte mich nicht großzügiger – sondern innerlich leerer. Ich versuchte, eine gute Mutter für alle zu sein: für meine Tochter, meine Schwester, sogar für meine Mutter. Am Ende war ich es für niemanden – und schon gar nicht für mich selbst.

Die Kunst wurde mein Weg, mich zu lösen. Auf der Leinwand konnte ich beginnen, mich zu beobachten – ohne Urteil. Ich begann, Frauen zu malen, die nicht nur nährend, sondern auch eigenständig, stolz, verletzlich oder unerreichbar waren. So fand ich die Balance: zwischen Nähe und Autonomie, zwischen Zuwendung und Selbstachtung.

Jedes Bild wurde ein Spiegel. Und langsam begriff ich: Die beste Mutter ist nicht die perfekte – sondern die authentische. Die, die liebt, loslässt und bei sich bleibt.

Zwei Frauenfiguren im Stil Feminine Glamourism, moderne Art Deco – Darstellung ambivalenter weiblicher Beziehungen

 

6. Der Schatten in der Kunst – Warum ich das Dunkle zeige

In meiner Kunst geht es nicht nur um Schönheit im klassischen Sinn – sondern um die Wahrheit der Weiblichkeit. Und diese Wahrheit ist komplex. Sie ist nicht immer hell. Sie kennt Zweifel, Widerspruch, Kontrolle, Macht. Genau diese Schattenseiten sichtbar zu machen, ist für mich essenziell.

Denn echte Ganzheit entsteht nur durch Kontrast. Licht wirkt nur, wenn es auf Dunkel trifft. Weibliche Energie entfaltet ihre Tiefe erst dort, wo sie auch verletzlich, herausfordernd, geheimnisvoll sein darf. Deshalb zeige ich in vielen meiner Werke Frauen mit intensiven, manchmal unergründlichen Blicken – wie in „Together“, „Die Nähe“ oder dem Werk „Herbstlicher Nachmittag am See“. Die Frauen sind nah beieinander, aber nicht ganz verschmolzen. Man spürt: Zwischen Hingabe und Distanz liegt ein ganzes Universum.

Auch meine Femme-Fatale-Gemälde tragen diese Ambivalenz. Verführung ist dort keine unterwürfige Geste – sondern Ausdruck von Kraft, Kontrolle, Selbstbestimmung. Die Katze im Bild „Love is…“ steht symbolisch für das Festhalten – und die Angst, etwas zu verlieren, was man liebt.

Diese Kunst ist mein Raum für Schattenintegration. Ich lade dich ein, hinzusehen – auch dorthin, wo es weh tut. Denn erst, wenn wir uns selbst in Licht und Dunkel sehen, werden wir ganz.

Mehr über Femme Fatale -Archetyp:

 ➤ Artikel "Die Femme Fatale: Ein Archetyp in der Kunst"

 ➤ Artikel "Vergiss nett, sei gefährlich: Wie viel Femme Fatale steckt wirklich in Dir?"



7. Die Integration des Schattens – Selbstermächtigung

Der Mutter-Archetyp zeigt sich in jeder Frau – ob mit eigenen Kindern oder ohne. Doch erst wenn wir sowohl Licht als auch Schatten anerkennen, entsteht eine reife Mutterenergie. Eine, die nicht aufopfernd oder vereinnahmend ist, sondern klar, liebevoll und zugleich eigenständig.

Ich habe lange gebraucht, um mir zu erlauben: „Ich darf Mutter sein – aber auch ich selbst bleiben.“ Heute weiß ich: Ich darf Grenzen setzen, mich zurückziehen, Nein sagen – ohne weniger zu lieben. Wahre Mütterlichkeit heißt nicht, sich selbst zu verlieren, sondern in sich selbst verwurzelt zu sein und aus dieser Tiefe zu nähren.

Die Kunst ist mein Weg, diese Versöhnung sichtbar zu machen. In meinen Frauenbildern trage ich die Ambivalenz nach außen – als Einladung zur inneren Balance. Meine weiblichen Figuren dürfen widersprüchlich sein: zärtlich und distanziert, hingebungsvoll und autonom, warmherzig und stolz. In dieser Vielschichtigkeit liegt unsere Stärke.

Wenn wir beginnen, unsere Schatten zu integrieren, entsteht Selbstermächtigung. Dann müssen wir keine perfekten Mütter, Töchter oder Frauen mehr sein – sondern dürfen einfach wir selbst sein. Und genau dort beginnt Heilung.


Fazit: Die zwei Gesichter der Mutter – ein Spiegel für uns selbst

Der Archetyp der Mutter ist ein machtvoller Spiegel. Er zeigt uns nicht nur Liebe und Fürsorge, sondern auch Kontrolle, Überforderung und alte Wunden. Doch in dieser Vielschichtigkeit liegt seine Chance: Wenn wir lernen, beide Seiten zu sehen – das Licht und den Schatten – öffnen wir uns für eine tiefere Selbsterkenntnis.

Meine Kunst lädt dich ein, dich selbst in dieser Ambivalenz zu erkennen. Vielleicht erkennst du dich in einem meiner Werke wieder – in einer Frau, die liebt und loslässt, die stark ist und sanft zugleich. Lass dich inspirieren, dein inneres Gleichgewicht zu finden – und deine eigene Geschichte zu schreiben.

Wenn du die nährende Seite des Mutter-Archetyps noch nicht kennst, lies auch meinen Artikel:
 ➤  Psychologie der Weiblichkeit – Die Kunst, eine Frau zu sein


FAQ – Häufige Fragen zum Mutter-Archetyp

Was ist die Schattenseite des Mutter-Archetyps?

 Die Schattenseite zeigt sich in übertriebener Fürsorge, Kontrolle, Vereinnahmung oder emotionaler Erpressung. Sie kann die Entwicklung des Kindes behindern und zu innerer Abhängigkeit führen.

 

Wie äußert sich ein Mutterkomplex nach C.G. Jung?

 Ein Mutterkomplex kann sich in übermäßiger Anpassung, Abhängigkeit oder auch in Rebellion und Ablehnung gegenüber weiblichen Autoritäten zeigen. Er entsteht oft durch ungelöste Dynamiken in der Mutterbeziehung.

 

Wie äußert sich ein Mutterkomplex bei Männern?

 Bei Männern zeigt sich der Mutterkomplex häufig in der Idealisierung oder Ablehnung weiblicher Figuren. Manche suchen unbewusst nach „Ersatzmüttern“ in Beziehungen, andere lehnen alles Weibliche ab oder fühlen sich dauerhaft unfrei. Beides kann Bindung und Selbstentfaltung erschweren.

 

Was ist ein Mutterkomplex bei Frauen?

 Ein Mutterkomplex bei Frauen äußert sich oft als innerer Konflikt mit der eigenen Weiblichkeit. Beim positiven Mutterkomplex idealisiert man die Mutter und fühlt sich stark zu mütterlichen Rollen oder Frauen hingezogen. Beim negativen Mutterkomplex lehnt man die Mutter – und alles Mütterliche – ab. Beide Pole können sowohl Blockaden als auch Antrieb zur Entwicklung erzeugen.

 

Warum ist es wichtig, auch die dunkle Seite der Mutter zu verstehen?

Nur wenn wir beide Seiten – Licht und Schatten – anerkennen, können wir unsere Mutterbeziehung heilen und uns selbst ganz annehmen. Das schafft Raum für Selbstermächtigung und innere Reife.

 

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